Neue (?) Musik am Bosporus - deutsch-türkische Perspektiven
Wissenschaftler und Komponisten vermitteln facettenreiche Hintergrundinformationen zum Festivalprogramm
Das ganztägige Symposium zum YAKAMOZ-Festival findet in Kooperation mit der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover statt und wird von der Hannoverschen Gesellschaft für Neue Musik veranstaltet.
Ort und Zeit
Samstag, 22. Oktober 2011
11.00 bis 18.30 Uhr
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
Neues Haus 1, 30175 Hannover
Raum 202
Eintritt frei
Referenten und ihre Themen
- Martin Greve (Rotterdam, Istanbul): Post-Traditionelle Türkische Musik
- Erika Glasen (Freiburg); Die traditionelle türkische und die westliche Musik im Spannungsfeld der Identitätssuche: Ahmet Hamdi Tanpinars Roman Seelenfrieden
- Alper Maral (Istanbul): Das "Neue" in der zeitgenössischen türkischen Musik
- Dorit Klebe (Berlin): Die Bedeutung des "Originals" und hybride Formen der türkischen Musik des 20. Jahrhunderts
- Yigit Aydin: Die Suche nach dem Fremden in sich: Überlegungen zur stilistischen Bruchlinie Neuer Türkischer Musik
- Stefan Fricke (Frankfurt am Main): Die Mission - Paul Hindemith und die Türkei
- Ulrike Böhmer (Hannover): Deutsche Orientträume? Rezeption türkischer Kultur bei deutschen Komponisten
Hintergrund
Die Idee:
In der Türkei pulsiert gegenwärtig eine äußerst vielseitige Musik- und Kompositionskultur, die das Festival YAKAMOZ deutschem und türkischem Publikum gleichermaßen präsentieren möchte. Die außergewöhnliche Gelegenheit soll aber auch genutzt werden, um mit einem Symposium eine Auseinandersetzung der Musikwissenschaft – die sich bisher vor allem auf türkische Volksmusik konzentriert hat – mit der modernen Türkei anzuregen. Gleichzeitig sollen die Referate auch dem Konzertpublikum dazu dienen, Einblicke in die kulturellen Hintergründe der aufgeführten Musik zu gewinnen und so zu einem neuen Türkeibild beitragen, das in Deutschland gegenwärtig von Polemik und Klischeevorstellungen in Bezug auf islamische Kulturen verzerrt ist.
Fragestellungen
„Die falsche Verwendung des Anderen in der westlichen Kultur heutzutage macht den anderen fremder und entfernt ihn unbeabsichtigt weiter als im 19. Jahrhundert“, stellt der jordanische Komponist Saed Haddad in einer aktuellen Ausgabe der Neuen Zeitschrift für Musik fest. Diese Aussage wirkt zu Beginn des 21. Jahrhunderts zunächst überraschend, erscheinen doch die Möglichkeiten für ein Verständnis anderer Kulturen etwa durch die Medien oder stetig zunehmende Migration so günstig wie nie. Tatsächlich können jedoch auch gut gemeinte Bemühungen einer Annäherung an das Fremde kontraproduktiv wirken, sofern lediglich Halbwissen erworben wird. Haddad spricht in diesem Zusammenhang vor allem über westliche Komponisten, die sich in ihren Arbeiten „orientalischer“ – schon dieser Begriff äußerst problematisch – Elemente bedienen. Doch auch Musikwissenschaftler sind vor methodische Herausforderungen gestellt, wenn sie sich auf das Terrain einer anderen Kultur wagen.
Das Symposium möchte daher türkische und deutsche Referenten in Austausch bringen, Ideen zusammenführen und so Denkanstöße für Wissenschaftler, Komponisten und Publikum geben. Folgende Fragestellungen und Themen sollen dabei Berücksichtigung finden:
- Tendenzen der zeitgenössischen Musik in der Türkei
- Voraussetzungen und Selbstverständnis der modernen türkischen Musik: Umgang mit westlichen und traditionellen türkischen Einflüssen
- Chancen der Andersartigkeit: Lernen von der türkischen Musikkultur?
- Deutsche Türkeirezeptionen in der Musik
- Fragen von Musik und Globalisierung
- Methodische Probleme für die Wissenschaft im Umgang mit dem Fremden
Verbindung von Kunst und Wissenschaft
Im Zeitraum von zwei Wochen stellt das Festival YAKAMOZ in verschiedensten Veranstaltungen aktuelle Musik, aber auch Literatur und Kunst der Türkei vor. Idee des Symposiums ist es, diese künstlerische Praxis und Musikwissenschaft zusammenzuführen. Mit Alper Maral und Yigit Aydin sind zudem zwei Referenten eingeladen, die sowohl als Musikwissenschaftler als auch aus ihrer eigenen Erfahrung als Komponisten sprechen.Direkt zum Symposium wird außerdem ein Konzert der hgnm-Reihe zeit.lupe gehören, moderiert vom Türkeiexperten Martin Greve. Geplant ist ein Gespräch mit dem Komponisten Taner Akyol, der in seinen Werken traditionelle türkische Volksmusik mit Tendenzen der zeitgenössischen westlichen Musik verbindet. Das erstklassige junge Interface Quartett wird zudem einen Einblick in die Musik der „Turkish Five“, also in die türkische Musik des 20. Jahrhunderts geben, und mit einem Werk von Fazil Say auch einen Ausschnitt aus der unmittelbaren Gegenwart präsentieren.
Festival und Symposium stehen unter der Schirmherrschaft der niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan und des türkischen Generalkonsuls Tunca Özçuhadar.
Kooperation mit der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
Das Symposium ist angebunden an die Lehrveranstaltung „Rhythmus und Zeitvorstellungen in der türkischen und arabischen Musik“, das Prof. Dr. Raimund Vogels im Wintersemester 2011/12 in Kooperation mit Ulrike Böhmer, M.A. anbieten wird. Ziel ist es, die Vermittlung von ethnologischen und musikhistorischen Erkenntnissen zu verbinden, insbesondere sollen auf diese Weise die Zusammenhänge von traditioneller und zeitgenössischer Musik im türkischen und arabischen Raum beleuchtet werden. Zielgruppe des Seminars sind gleichermaßen Studierende der Musikethnologie wie auch der historischen Musikwissenschaft. Aber auch Teilnehmer aus Kompositions- und Instrumentalstudiengängen, die nach neuen Anregungen suchen, sind ausdrücklich erwünscht. Um den praktischen Interessen der Studierenden Rechnung zu tragen, sind beispielsweise entsprechende Instrumentalworkshops innerhalb des Seminars geplant.
Das Symposium soll zu Beginn des Semesters en bloc einen lebendigen Einstieg in das Seminarthema bieten und den direkten Austausch mit renommierten Experten sowie einen Einblick in ihre aktuellen Fragestellungen ermöglichen. Die Referenten werden sich der zeitgenössischen türkischen Musik aus ganz verschiedenen Perspektiven nähern: Es handelt sich bei Ihnen sowohl um türkische als auch deutsche Wissenschaftler, die sich sowohl mit musik- und kulturwissenschaftlichen als auch kompositionspraktischen Themen auseinandersetzen. Diese Vielfalt, die im Rahmen des herkömmlichen Unterrichts nicht in gleicher Form zu vermitteln ist, würde eine wesentliche Bereicherung des Seminars darstellen und gedankliche Impulse für das ganze Semester geben.
Auf längere Sicht ist es außerdem denkbar, auf Grundlage des Symposiums einen kontinuierlichen Austausch zwischen deutschen und türkischen oder arabischen Künstlern/Wissenschaftlern zu etablieren, so dass in diesem Bereich Zeichen für eine interkulturelle Kooperation gesetzt werden könnten.
Den Tagungsplan zum Symposium können Sie öffnen, indem Sie hier oder auf das Bild klicken!
Zuletzt bearbeitet: 07.07.2013
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